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"Mein Kind hat seit vier Stunden Fieber..." Über den Wundereffekt mit schlechtem Ruf

Aktualisiert: 14. Apr. 2021

Die Grippe- und Pfnüselzeit ist im Anmarsch! Mit ihr auch zunehmende Konsultationen in Arztpraxen und Notfallstationen wegen Fieber, Husten und Co.

Ich erinnere mich an einen Tag im letzten Dezember auf der Notfallstation, an dem sich alleine in meiner Schicht 13 Patienten notfallmässig bei uns vorstellten mit grippalen Symptomen. Darunter ein grundsätzlich vitales Kind das gerade mal seit vier Stunden leichtes Fieber (38,3 Grad) und Schnupfen hatte. Die Eltern waren ängstlich und besorgt, wollten Medikamente gegen das Fieber und eine Abklärung über die Ursache. Schon auch verständlich, denn als Eltern ist man stets besorgt, wenn es den Kindern nicht gut geht, malt sich möglicherweise die verrücktesten Geschichten aus was alles passieren könnte. Denkt an all diese tragischen, unglaublichen, fulminanten Krankheitsverläufe von denen man immer wieder hört oder liest und vergisst dabei genau hinzuschauen, den natürlichen, sinnvollen Kompensationsmechanismen des Körpers zu vertrauen und sich auf den ureigenen Instinkt zu verlassen.

Was tut meinem Kind jetzt gut? Zwei Stunden Wartezeit in einer überfüllten Notfallstation, besorgte Gesichter und Hektik oder Bettruhe, Streicheleinheiten von den Eltern, schluckweise Sirup und Cola (Juhu!), Geschichten vorlesen und kuscheln?

Ein anderes Mädchen, 11jährig, wurde gebracht von der Lehrerin. Es hatte aktuell eine Angina tonsillaris, wurde mit Antibiotika behandelt und das Fieber medikamentös gesenkt. Entsprechend fühlte sich das Mädchen eigentlich gut und ging zur Schule, wo sie dann im Turnen kollabierte.

Hier zeigt sich die gefährliche Seite des Fiebersenkens und der Schmerzbekämpfung. Trügerisches Wohlbefinden, das den Eltern zwar ermöglicht arbeiten zu gehen, dem Kind aber nicht die erforderliche Ruhe und Massnahmen während eines Infektes gewährt.


Früher wusste man um die grosse Bedeutung des Fiebers und begrüsste es, wenn Kinder auf möglichst natürlichem Wege eine fiebrige Krankheit durchlebten. Heutzutage ist es nicht mehr üblich oder erwünscht, Fieber zuzulassen.

Dabei handelt es sich bei Fieber um eine natürliche, gute Reaktion unseres Körpers. Es gilt die selbst produzierte Hitze nicht als Feind sondern als sinnvollen Kompensationsmechanismus zu betrachten, der optimale Bedingungen schafft für wichtige Prozesse im Körper. Und als Hinweis, dass entsprechende Massnahmen erforderlich sind. Mit der Temperaturerhöhung nehmen Stoffwechselaktivität und Flüssigkeitsbedarf rasant zu. Ein erwünschter Vorgang, der aber viel Energie benötigt. Somit gibt es einiges zu beachten:


- Das Bett hüten, damit die Energie für die benötigten Stoffwechselvorgänge genutzt werden kann. Leichte Decke, leichte Kleidung, um Wärmeabstrahlung nicht zu behindern und Hitzestau zu vermeiden.


-Überwachung auf Ansprechbarkeit, Atmung und Temperatur. Kranke Personen sollen nicht alleine gelassen werden. Aus Sicherheitsgründen und weil Zuneigung zur Genesung beiträgt.


-Trinken! Der erhöhte Flüssigkeitsverlust muss ersetzt werden und ist entscheidend für den Krankheitsverlauf und das Wohlbefinden. Bei Magen-Darm- Symptomen kann es wichtig sein nur löffelweise zu trinken, da sonst nichts behalten werden kann. Ein oder zwei grosse Schlucke können schon reichen für den nächsten Würgreiz.


-Leichte Nahrung. Suppen, gedünstetes Gemüse, Reis, Salziges, die bewährte Hühnersuppe und einfach das wonach man Lust hat zu essen.


Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kinder schneller genesen und weniger krank sind, wenn das Fieber nur zurückhaltend gesenkt wird. Zum Beispiel bei starken Beschwerden, Unwohlsein und mangelndem Trinkverhalten.

Dies wurde auch in Studien nachgewiesen.

Ein Kind mit Fieber liegt herum und gönnt sich die nötige Ruhe. Ein krankes Kind mit gesenktem Fieber fühlt sich prima, hüpft im Garten rum und macht den Lillifeetanz. Das kostet wertvolle Energie. Ausserdem fordern starke Temperaturschwankungen den Körper mehr heraus als eine natürlich verlaufende Fieberkurve.


Ich möchte aber darauf hinweisen dass Fieber natürlich durchaus mit bedrohlichen Erkrankungen einher gehen kann und bei ausgeprägten, langanhaltenden oder ungewöhnlichen Begleitsymptomen sowie bei Unsicherheit eine Fachperson konsultiert werden soll. Es gilt auch hier den gesunden Menschenverstand und das eigene Bauchgefühl zu nutzen. Manchmal sind Diagnostik, Antibiotika und Infusionen einfach nötig und lebenswichtig.

Es lohnt sich jedoch zu bedenken, dass der Körper aus eigener Kraft mehr bewältigen kann als wir ihm zutrauen, wenn wir die nötigen Bedingungen dazu schaffen.

Dasselbe gilt auch für Erwachsene. Für den Moment scheint es manchmal einfacher ein paar Tabletten einzuwerfen und heldenhaft ab an die Arbeit zu eilen. Die Frage ist nur, zu welchem Preis...







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